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Zur Häufigkeit der Schuldfähigkeitsbegutachtung von Sexualstraftätern im Erkenntnisverfahren

Zusammenfassung Wie häufig und unter welchen Umständen werden Sexualstraftäter begutachtet? Diese Frage ist nicht nur angesichts heftiger Diskussionen bezüglich der Rückfälligkeit einschlägig vorbestafter Täter von Bedeutung. Hinzu kommt, dass Kenntnisse über Sexualstraftäter nahezu ausschließlich a...

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Published in:Forensische psychiatrie, psychologie, kriminologie psychologie, kriminologie, 2010, Vol.4 (3), p.202-210
Main Authors: Bosinski, Hartmut A. G., Budde, Martin, Frommel, Monika, Köhnken, Günter
Format: Article
Language:ger
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Description
Summary:Zusammenfassung Wie häufig und unter welchen Umständen werden Sexualstraftäter begutachtet? Diese Frage ist nicht nur angesichts heftiger Diskussionen bezüglich der Rückfälligkeit einschlägig vorbestafter Täter von Bedeutung. Hinzu kommt, dass Kenntnisse über Sexualstraftäter nahezu ausschließlich aus Schuldfähigkeitsgutachten stammen. Dies wirft die Frage auf, wie repräsentativ die so gewonnenen Daten sind. In dieser Untersuchung wurden von insgesamt 306 im Jahr 2001 in Schleswig-Holstein erhobenen und zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklagen gemäß §§ 174–179, 182–183a des Strafgesetzbuches (StGB) 291 Anklagen (95,6 %) hinsichtlich der Einholung eines Schuldfähigkeitsgutachtens gemäß §§ 20, 21 StGB untersucht. Unter anderem wurde geprüft, ob sich begutachtete und nichtbegutachtete Angeklagte in bestimmten Merkmalen unterscheiden. Es betrafen 145 Anklagen (49,8 %) Vorwürfe des sexuellen Kindesmissbrauchs, 89 Anklagen (30,6 %) solche der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung, und 39 Fälle (13,4 %) ergingen wegen exhibitionistischer Handlungen. Nur in 34 Fällen (11,7 %) wurde ein Schuldfähigkeitsgutachten eingeholt, wobei dies 20 Anklagen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs (13,8 % v. 145), 12 Anklagen wegen sexueller Nötigung/Vergewaltigung (13,5 % v. 89) und 2 Anklagen wegen Exhibitionismus (5,1 % v. 39) betraf. Systematische Faktoren für eine Gutachtenauslösung ließen sich nicht feststellen; Hauptgrund waren nicht näher bezeichnete psychische Auffälligkeiten. Einschlägige Vorstrafen, die bei insgesamt 45 Angeklagten (15,5 %) vorlagen, führten nur beim Vorwurf des Kindesmissbrauchs zu einer signifikanten Erhöhung der Begutachtungshäufigkeit. Es werden die Ursachen und Konsequenzen dieser geringen Begutachtungsquote im Erkenntnisverfahren dargelegt und Änderungsmöglichkeiten diskutiert.
ISSN:1862-7072
1862-7080
DOI:10.1007/s11757-010-0060-9