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Der Diskurs zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs – ideologisch induziert oder rechtlich angezeigt?

Das StGB (§ 218b Abs. 1 S. 1 und § 218c Abs. 1 Nr. 4) verbietet eine zugleich behandelnde und beratende bzw. diagnostische Doppelrolle.15 Verstöße gegen die in den §§ 5–11 SchKG statuierten Beratungsvorschriften werden hingegen nicht pönalisiert, sie können allenfalls als Berufsverstöße durch das är...

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Published in:Gynäkologie (Heidelberg, Germany) Germany), 2024, Vol.57 (1), p.52-58
Main Author: Heidemann, John
Format: Article
Language:ger
Subjects:
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Description
Summary:Das StGB (§ 218b Abs. 1 S. 1 und § 218c Abs. 1 Nr. 4) verbietet eine zugleich behandelnde und beratende bzw. diagnostische Doppelrolle.15 Verstöße gegen die in den §§ 5–11 SchKG statuierten Beratungsvorschriften werden hingegen nicht pönalisiert, sie können allenfalls als Berufsverstöße durch das ärztliche Standesrecht sanktioniert werden.16 Dogmatische Ausnahmeerscheinung In legislatorischer Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG von 1993 stellt der Schwangerschaftsabbruch ein rechtlich verbotenes Unrecht dar,17 welches ohne entsprechende medizinische oder kriminologische Indikation stets rechtswidrig ist, aber durch die Einhaltung formaler Kautelen eines frühzeitig ansetzenden Beratungskonzepts tatbestandslos und damit straffrei gestellt werden kann.18 Auch wenn der Wortlaut damit die Einordnung als Tatbestandsausschluss nahelegt, wirkt die Vorschrift faktisch wie ein Rechtfertigungsgrund,19 bei dem die kommunikative Bewältigung der Rechtsgüterkollision per geleiteter Beratung und nicht ein materieller richterlich überprüfbarer Güterausgleich im Zentrum steht.20 Die konkrete dogmatische Verankerung des gewählten Rechtsmechanismus ist in der Rechtswissenschaft jedoch äußerst umstritten.21 Einig sind sich die Diskutanten jedoch in dem Punkt, dass die gewählte Systematik ein Unikat im StGB darstellt, das einer zufriedenstellenden dogmatischen Herleitung nicht zugänglich sei.22 Am Ende stehe das widersprüchliche Ergebnis einer Straffreistellung trotz rechtlich missbilligter Handlung.23 Ungeeignete Verortung im Strafrecht Ungeachtet von dogmatischen Widersprüchen wird von den Reformbefürwortern vorgebracht, dass die Verankerung des Abtreibungsrechts im Strafrecht ungeeignet sei. Die vom BVerfG geforderte Maxime des Strafrechts als Ultima Ratio für den Rechtsgüterschutz werde nicht erfüllt.
ISSN:2731-7102
2731-7110
DOI:10.1007/s00129-023-05173-y